27. Februar 2009

In Berlin laufen derzeit die Aufnahmen zum WELLENLÄUFER-Hörspiel auf Hochtouren, und Co-Regisseur Simon Bertling hat die ersten Namen freigegeben, die ich hier verraten darf:

Friedhelm Ptok - Erzähler
Anne Helm - Jolly
Simon Jäger - Griffin
David Turba - Munk
Stefan Kaminski - Holzwurm
Jürgen Kluckert - Santiago
Udo Schenk - Tyrone
Heinz Kloss - Munks Vater

Anne Helm als Jolly war meine unbedingte Wunschkandidatin, nachdem ich sie als deutsche Stimme von Evan Rachel Wood gehört hatte, und es freut mich enorm, dass sie zugesagt hat. Simon Jäger (Griffin) ist die Synchronstimme von Heath Ledger (und, nein, er klingt nicht zu alt), und Friedhelm Ptok hat gerade einen Hörspiel-Award als bester Erzähler in DIE ALCHIMISTIN erhalten (siehe News).
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Trotzdem wird keiner von den Filmen verschont, die ich gestern gesehen habe (während ich mich noch immer an den Gedanken einer Arbeitspause gewöhne und Lübbe alles tut, damit es gar nicht erst so weit kommt: Eben waren die Korrekturfahnen zu STURMKÖNIGE Band 3 in der Post ...).
Den Auftakt hat Jess Francos "Venus in Furs" (1970) gemacht, der mehr oder minder einhellig als sein bester Film anerkannt ist, und das kann ich - nach allem, was ich von ihm gesehen habe - bestätigen. Ein sonderbares Geister-/Psychohorror-/Erotikdrama, wie es nur südeuropäische Regisseure in den Sechzigern und Siebzigern zustande gebracht haben, unter anderem mit Klaus Kinski und Maria Rohm, die ganz fabelhaft ist in einer Rolle, die ein, zwei Jahre später vermutlich Soledad Miranda gespielt hätte.

"John Carpenter - Fürst der Dunkelheit" ist der einfallslose deutsche Titel einer wirklich guten französischen Dokumentation über den Regisseur John Carpenter, der einige meiner Lieblingsfilme gedreht hat: "Die Klapperschlange" und "Das Ding", wobei einige seiner anderen natürlich auch nicht zu verachten sind, vor allem natürlich "Halloween" und "The Fog". Heutzutage ist es ja kaum noch einzusehen, für solche Interview-Dokus gesondert Geld auszugeben, wenn sie doch auf fast jeder DVD gratis mitgeliefert werden. Aber diese hier ist deutlich besser als die meisten Bonus-Features und ihren Preis durchaus wert.

Zuletzt gab´s noch den spanischen "Pakt der Hexen" (2003), über den ich wenig Fundamentales sagen kann, weil ich nach zehn Minuten eingeschlafen und erst kurz vor Schluss wieder aufgewacht bin. Ausgehend von dem, was ich gesehen habe, kann ich nicht allzu viel verpasst haben.

26. Februar 2009

Doch nicht zurück in die Siebziger ...

Als Clive Barker vor über zwanzig Jahren mit seinen „Büchern des Blutes“ und vor allem seinem ersten Roman „Spiel des Verderbens“ Furore machte (gleich gefolgt von seinem Regiedebüt „Hellraiser“), hatte man so einen Karrierestart in der Phantastik-Szene noch nicht erlebt. Die Kritiker überschlugen sich, selbst im Feuilleton horchte man auf, und ich selbst war damals hin und weg. „Spiel des Verderbens“ dürfte bis heute einer der besten Horrorromane sein, und einige Kurzgeschichten in den „Büchern des Blutes“ – allen voran „Im Bergland: Agonie der Städte“ – sind Genreklassiker geworden. Meine Verehrung ging damals so weit, dass ich durch halb London marschierte, um eine William-Blake-Ausstellung zu suchen, nur weil Barker sie irgendwo empfohlen hatte.
Später blieb ich Fan von Barkers Filmen, „Nightbreed“ und „Lord of Illusions“, konnte aber mit seinen Büchern immer weniger anfangen. „Coldheart Canyon“ hatte eine tolle erste Hälfte, um dann rapide abzufallen, und einige der anderen habe ich gar nicht mehr bis zum Ende gelesen.
Dass nun einige Verfilmungen seiner Geschichten aus den „Büchern des Blutes“ herauskommen, ist trotzdem ein Grund zur Freude, und die erste, „The Midnight Meat Train“, hat meine Hoffnungen ganz und gar erfüllt. Fast so gut wie die Barker-Adaption „Candyman“, nur an wenigen Stellen ein wenig überdreht, ist das ernsthaftes, finsteres, vollkommen seriöses Horrorkino. Ich hatte den Film schon zweimal gesehen, und gestern schließlich ein drittes Mal mit Barkers Audiokommentar. Ich höre mir nur noch wenige Kommentare an, aber Barker erzählt fast immer interessant und offenherzig; so auch hier.
In Deutschland lässt der Film noch auf sich warten, aber ich bin schon gespannt auf die beiden nächsten Adaptionen „Dread“ und „Book of Blood“.

Ganz neu und ein ziemlicher Hammer ist auch der spanische „King of the Hill“, der es schafft, dem Subgenre Hinterwälder-jagen-Durchreisende einen neuen und ungeheuer spannenden Dreh abzuringen. In Zeiten, da ich den modernen Horrorfilm mit all dem Blödsinn á la „Hostel“ und Konsorten weitgehend abgeschrieben hatte, ist es um so schöner, wenn mal ein, zwei Filme daher kommen, die einen wirklich überraschen und, viel wichtiger, überzeugen.

24. Februar 2009

Beim Auftritt mit Violet am vergangenen Freitag in Soest habe ich drei kurze Passagen aus DAS BUCH VON EDEN gelesen, jeweils als Überleitung zu den entsprechenden Musikstücken: Favolas erste Enthüllung der Lumina im Glockenturm des Klosters; Gabriels Erkenntnis der Schlange in seinem Inneren; und zuletzt Sinaidas Ankunft in Bagdad.
Anschließend ging es weiter zu einer Familienfeier in Sachsen-Anhalt, ohne jede Spur von rheinischem Karneval, der mir diesmal gänzlich erspart geblieben ist.
Heute habe ich schließlich vier Stunden lang das GEISTERSEHER-Skript mit dem Regisseur Marco Göllner durchgesprochen. Im März beginnen die Aufnahmen, und das Casting der verschiedenen Sprecher läuft auf Hochtouren. Sobald ich ein Okay habe, verrate ich - wie auch beim WELLENLÄUFER-Hörspiel - die ersten Namen. Besonders habe ich mich heute über den zukünftigen Goethe gefreut.

Danach gab´s noch Trash im Schnelldurchlauf: "Screamers 2 - The Hunting". Ich mag den ersten "Screamers" ziemlich gern, dachte aber immer, dass ich so ziemlich der einzige bin, dem das so geht. Dass über ein Jahrzehnt später eine Fortsetzung herauskommt, ist darum erst einmal eine Überraschung. Weniger erstaunlich ist, dass es sich um eines der mittlerweile arg verbreiteten Direct-to-DVD-Sequels handelt, die gern an allen möglichen großen und kleinen Erfolge angehängt werden: Nach "Starship Troopers", "Lost Boys" und diversen anderen eingeführten Namen nun also auch der im Vergleich eher mäßig bekannte "Screamers". Vom Look her dürfte der amerikanische SciFi-Channel seine Finger im Spiel gehabt haben, alles sieht brav nach Fernsehware aus und ist entsprechend fad und geschmacksneutral.
Morgen also wieder zurück in die glorreichen Siebziger, als Genrefilme noch eine eigene Handschrift trugen und ihre Zuschauer erstaunen, vor den Kopf stoßen oder auch verärgern konnten - nur eben nicht, wie heute so oft der Fall, völlig gleichgültig gelassen haben.

19. Februar 2009

Gestern nur zwei Filme gesehen, den Rest des Tages vor allem mit alten Ausgaben des "Video Watchdog" verbracht. Besonders interessant war ein Artikel, der endgültig klärt, wie sehr Edgar Wallace (!) in das Drehbuch von "King Kong" involviert war. Später ist sein Beitrag gern kleingeredet worden, aber offenbar hat Wallace während eines viermonatigen Aufenthalts in Hollywood eine erste komplette Drehbuchversion erstellt (die nach seinem Tod, wenige Tage später, von anderen Autoren überarbeitet wurde).
Gesehen habe ich gestern "The Black Belly of the Tarantula" (1971), einen Giallo der gehobenen Kategorie, der sich vor allem durch Giancarlo Giannini als Kommissar von vielen anderen Konkurrenzprodukten jener Zeit abhebt. Giannini, heute einer der international angesehensten italienischen Schauspieler, spielt den Helden des Films deutlich akzentuierter als die meisten anderen Giallo-Ermittler jener Zeit.
Dario Argentos "Mother of Tears" (2008) hatte ich schon vor Monaten auf Italienisch gesehen und kein Wort verstanden. Dann noch mal ein Stück auf Englisch, was schon sehr viel deutlicher machte, wie fürchterlich der Film ist. Und gestern noch einmal komplett auf Deutsch, weil ich die vage Hoffnung hatte, dass eine ordentliche Synchronisation irgendwas besser machen könnte (vor allem die schlimmen italienischen Akzente bzw. asynchronen Stimmen der englischen Version). Ist natürlich Unfug, auch wenn die deutsche Fassung tatsächlich solide gesprochen ist - dafür ist sie geschnitten, dass sich die Balken biegen. Wobei gerade die albernen, überzogenen Splattereffekte der Originalfassung wie Fremdkörper in einem Film stehen, der sehr, sehr traurig belegt, dass Argento offenbar keinen Bezug mehr zu dem hat, was die beiden inhaltlichen Vorgänger "Suspiria" und "Inferno" vor 33 bzw. 29 Jahren so brillant gemacht hat. Schade.
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Wer vor ein paar Tagen dem Wikipedia-Link zum Thema "Giallo" gefolgt ist und sich schlau gemacht hat, was sich dahinter verbirgt, der darf nach eingehendem Studium des Genres jetzt eine Klasse aufsteigen - mit dem fantastischen Giallo-Generator.

17. Februar 2009

Nachdem ich heute morgen zu allererst die fertigen Seiten des zweiten WOLKENVOLK-Comics Korrektur gelesen hatte, schien es ganz passend, mal den ersten chinesischen Martial-Arts-Film anzuschauen, den ich als Kind im Kino gesehen habe. Jahrelang konnte ich mich nur an eine einzige Szene erinnern: Ein Kämpfer überquert einen Fluss, indem einige Dutzend Shaolin-Mönche für ihn eine menschliche Brücke bilden. Ich hatte bereits das Internet und das „Lexikon des Eastern“ durchforstet, bis ich vor ein paar Monaten durch Zufall auf eine DVD stieß, auf deren Cover ein Foto von genau dieser Szene zu sehen ist. Der subtile Titel: "Der Todeshammer der Shaolin" (1978). Nun denn, heute also in den DVD-Player damit, und eine halbe Stunde habe ich tapfer durchgehalten – dann musste doch der Schnellvorlauf her, zumindest bis zur Flussüberquerung. Die ist dann tatsächlich nett gemacht, obwohl der Held nicht über die Köpfe der Mönche läuft, wie ich immer dachte, sondern doch nur über ihre Rücken... Trotzdem, mindestens zwei Elemente der WOLKENVOLK-Trilogie sind vermutlich auf diesen Film zurückzuführen: Die Brücke aus Perlschildkröten, auf der Niccolo den Lavastrom überquert – und etwas, an das ich mich nach bestem Wissen und Gewissen nicht bewusst erinnern konnte: Der Schurke des Films verfügt über die Waffe der „schwarzen Hand“, die er seinen Gegnern auf den Körper drückt und an deren Gift sie in der Folge sterben. Ob Nuguas „purpurne Hand“ unbewusst wirklich aus einem Film stammt, den ich mit circa zehn Jahren gesehen habe, weiß ich nicht – aber die Parallele ist schon auffällig.

Dieses Dosis Eastern reichte dann aber auch, und es ging zurück nach Europa. Narcisco Ibanez Serradors „Who can kill a child“ (1976) hatte ich vor Jahren einmal in einer kürzeren Fassung gesehen, aber ein zweites Anschauen bestätigt: Das ist einer der besten Horrorfilme der Siebzigerjahre. Ein Touristenpärchen kommt auf eine Insel vor der spanischen Küste, um festzustellen, dass dort die Kinder in einem kollektiven Amoklauf alle Erwachsenen ermordet haben. Klingt wie Stephen Kings „Children of the Corn“, ist aber einige Jahre älter und sehr viel raffinierter. Nicht nur verweigert sich der Film allen üblichen Horrorzutaten – er spielt durchgehend bei strahlendem Sonnenschein in einem pittoresken weißgekalkten Dörfchen -, sondern legt noch ein paar ziemliche Gemeinheiten oben drauf. Die Heldin ist hochschwanger, und irgendwann kommt der Augenblick, an dem sie unter Schmerzen realisiert: „Es ist eines von ihnen! Es zerreißt mich von innen!“ Und das tut es dann auch, ohne jeden Splatter, aber gerade deshalb um so effektiver. Sehr unheimlich, sehr spannend und kein bisschen gealtert.

Zuletzt ein Giallo: „Der Killer von Wien“ (1971) von Sergio Martino, solide italienische Thrillerware mit Edwige Fenech, die – das zeigt ein Interview im Bonusteil – dreieinhalb Jahrzehnte später noch attraktiver ist als damals. Ansonsten alles wie gehabt im Giallo-Genre, aber deutlich im oberen Drittel angesiedelt.

16. Februar 2009

Der Erfolg der James-Bond-Filme Mitte der Sechzigerjahre rief in Windeseile auch italienische, französische und spanische Produzenten auf den Plan, und überall rund ums Mittelmeer wurde innerhalb weniger Jahre ein Agentenfilm nach dem anderen heruntergekurbelt. Ich habe beschlossen, mir eine Reihe davon anzuschauen, und den Anfang macht einer, der vermutlich nicht mehr zu toppen ist: „Der Teufelsgarten“ (1968) ist einer der letzten Filme dieser Reihe, zu einer Zeit entstanden, als die meisten Italiener und Franzosen bereits in Spanien und Rom auf den nächsten Erfolgszug - den Spaghetti-Western - aufgesprungen waren.
Die Hauptfigur ist der Agent Coplan, dessen Auftritte in einer Romanserie von Paul Kenny bereits mehrfach verfilmt worden waren, jeweils mit wechselnden Hauptdarstellern. In „Der Teufelsgarten“ spielt Claudio Brook den Helden und sieht dabei ein bisschen aus wie Fred Ward. Man merkt dem Film an, dass er am Ende einer Welle steht – der Held wird demontiert, trägt die meiste Zeit über einen Arm in der Schlinge und ist alles andere als ein Möchtegern-Bond. Fast hat man den Eindruck, es hat ihn aus der Frührente nach Istanbul verschlagen – dorthin übrigens, wo ein Großteil der Euro-Agenten von damals ihr Unwesen trieb (exotisch, aber nicht zu teuer). So weit, so gut. Der Plot um, na ja, was auch immer, kommt nur langsam in die Gänge, aber das ist auch egal: „Der Teufelsgarten“ lebt von einer Atmosphäre, die meines Wissens kein anderen europäischer Agentenfilm – und das schließt die Bonds ein – hinbekommen hat. Istanbul sieht fantastisch aus, manchmal kippt die Stimmung fast Richtung Horrorfilm, einschließlich eines kurzen Abstechers ins Giallo-Genre. Und wenn das letzte Drittel irgendwo in den Bergen vor der syrischen Grenze spielt, in der Festung Alamut des Alten vom Berge (die eigentlich anderswo stand, aber was soll´s ...), dann wird aus einem kleinen netten Film richtig großes Kino. Warum heute kein Mensch mehr diese Drehorte nutzt, dürfte ein Rätsel bleiben. („Imperium der Wölfe“ fällt mir noch ein, aber auch er bespielt die türkische Landschaft nicht halb so gekonnt wie „Der Todesgarten“).
Als Ausreißer aus der Retro-Schiene und zum direkten Vergleich dazu gab´s danach „Traitor“, einen neuen Agentenfilm von 2008, der nach dem schrecklichen letzten Bond noch einmal unterstreicht, dass das Spionage-Genre heutzutage offenbar aussehen muss wie eine Mischung aus „24“ und „Syriana“. Das ist alles gut gemacht, recht aufwendig, solide geschrieben und gespielt, und trotzdem durch und durch mittelmäßig, weil nichts davon hängen bleibt. Sehen und vergessen. Morgen geht´s deshalb zurück in die Siebziger.

13. Februar 2009

Keine Filme gestern, weil ich den ganzen Tag mit der Bearbeitung des GEISTERSEHER-Hörspielskripts verbracht habe. Mit den eigenen alten Texten konfrontiert zu werden, ist ein wenig so, wie sich selbst auf sehr peinlichen Fotos aus der Schulzeit zu sehen: Diese Frisur! Diese Klamotten! Diese Adjektive! Diese Metaphern!
Nach dieser Pause von der Pause ging es heute, von Telefonaten und Zahnarzt abgesehen, weiter wie gehabt: Jess Francos „Der Teufel kam aus Akasava“ (1971) wird hierzulande als später Edgar-Wallace-Film verkauft, was er nicht ist. Statt Wallace gibt es einen botanischen Garten als Dschungel, hässliche Drehorte irgendwo in Spanien und Hamburg, Horst Tappert mit Perücke, Siegfried Schürenberg (Sir John!) im Bett mit Soledad Miranda, Fred Williams (der heute Kinderbekleidung in München verkauft) als Held, und einen unverständlichen bis nebensächlichen Plot.
Danach, wir bleiben in der Zeit, „Die Nacht der Vampire“ (1970) mit Paul Naschy, Spaniens Werwolf-Darsteller Nummer eins (in zig Horrorfilmen aus den Siebzigern). Eigentlich wohl einer der besten Naschy-Filme aus einer Ära, als die Deutschen noch fleißig „Gruselfilme“ mit den Spaniern co-produzierten und diverse Münchener Starlets durch südeuropäische Burgruinen geisterten. Trotzdem ist das Ganze heute nur noch bedingt charmant; so wie sich die Hörspieladaptionen der zeitgenössischen Heftromane („John Sinclair“, „Dorian Hunter“) dem Charme der Siebziger verweigern, so tun das auch die filmischen Vorbilder jener Zeit, wenn man nicht sehr in der Stimmung dafür ist.
Anschließend noch mal Franco, diesmal „Das Grauen von Schloss Montserrat“, der noch ein Dutzend andere Titel hat und seit 1970 in ebenso vielen Schnittfassungen vorliegt. Diese hier scheint mehr oder minder der Originalfassung zu entsprechen, alles ist recht zahm und ab 16, aber die Laufzeit von 77 Minuten dehnt sich auf gefühlte vier Stunden. Trotzdem ist der Film ganz in Ordnung, weil er statt auf Handlung (nichts dergleichen!) auf eine seltsame Traumatmosphäre setzt. Das will alles sehr nouvelle vague sein, ist es aber nur bedingt. Jean Rollin hat ähnliche Filme sehr viel besser gemacht.

11. Februar 2009

Heute keine großen filmhistorisch wertvollen Entdeckungen, abgesehen von Jess Francos "Dracula" (1969), den ich aus irgendwelchen Gründen nie gesehen hatte. Mit Christopher Lee, Klaus Kinski, Soledad Miranda und Herbert Lom gut besetzt, für wenig Geld einigermaßen effektiv in Szene gesetzt, aber doch nie so gut, wie es die Absichten waren: Franco war angetreten, erstmals Stokers "Dracula" romangetreu zu verfilmen. Das scheiterte sichtlich am Geld, natürlich auch an der Laufzeit, und dennoch macht das den Film interessanter als all die Hammer-Verfilmungen, durch die Christopher Lee berühmt geworden ist. In manchen Details von Francos Film schimmert der gute Wille durch, auch eine Menge Talent, aber wie so oft in seiner Karriere machte ihm die Finanzierung einen Strich durch die Rechnung. Interessant ist das Franco-Interview auf der deutschen Kinowelt-DVD des Films, weil es recht schön vermittelt, dass man es bei ihm, trotz manch eines seiner Werke, mit einem hochgebildeten und intelligenten Filmemacher zu tun hat.
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Den Vormittag habe ich damit verbracht, das erste Drittel des GEISTERSEHER-Hörspielmanuskripts durchzugehen und dabei rund zehn Minuten meines eigenen Texts rausgestrichen; immerhin der Beweis, dass man als Autor nicht zwangsläufig an der eigenen Kunst kleben muss.

10. Februar 2009

Wenn es einen Film gibt, der den europäischen Horrorfilm der späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahre in Feuilleton-taugliches Glanzpapier verpackt und durch die Jahrzehnte in die Gegenwart transportiert, dann ist das Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut“ (1999). Jedes einzelne Element aus vielen Filmen von Jess Franco, Jean Rollin und zahllosen Italienern – vom Okkultismus bis zur Erotik – darf hier von Tom Cruise und Nicole Kidman nachgespielt werden; „Eyes Wide Shut“ funktioniert wie ein Remake eines ganzen Genres, nicht eines einzelnen Films, und er macht seine Sache dabei ziemlich gut. Die Überschneidungen dürften zum Teil an der Vorlage liegen. Arthur Schnitzlers „Traumnovelle“ nimmt vieles vorweg, das die europäischen Regisseure Jahre später für das Kino wiederentdeckten. Trotzdem: Die Mischung aus okkultem Horror, Freudscher Psychologie und Sex stellt genau die Zusammenstellung dar, die Kubrick hier rekapituliert, und darum hebe ich mir die Blu-Ray von „Eyes Wide Shut“ auf, bis mein Mini-Festival von Franco & Co. beendet ist bzw. mir die repetitiven Elemente ihrer Filme bis zu den Ohren stehen.
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Was, ehrlich gesagt, heute morgen schon fast der Fall war, als ich eine andere Franco-DVD, die seit Jahren ungeöffnet im Regal stand, eingelegt habe: „Female Vampire“, auch noch unter einem Dutzend anderer Titel veröffentlicht, gilt als einer seiner poetischen Höhepunkte, aber das Verständnis dafür entzieht sich mir nun wirklich völlig. Nach einer halben Stunde war´s genug, der Schnellvorlauf hat auch nichts enthüllt, das die Sache hätte retten können.
Also weg damit und weiter zu Francos „Eugenie“ (1969) – hübsch gefilmt, aber leider ebenfalls langweilig. Dafür gibt´s auf der DVD ein nettes Interview mit Jack Taylor, der damals in vielen Filmen dieser Art gespielt hat und seinen letzten vergleichbaren Auftritt in Polanskis „Ninth Gate“ hatte; er dreht noch immer, aber Polanskis Verfilmung des Romans „Der Club Dumas“ ist neben „Eyes Wide Shut“ ein weiterer Film, der ganz in der Tradition europäischer Exploitation der Beat- und Hippie-Ära steht. (Weitere Anwärter auf diese Ehre wären Verfilmungen von Ecos „Foucaultschem Pendel“ und Zafóns „Der Schatten des Windes“, so es sie jemals geben wird.)
Als nächstes stand heute Corrado Farinas „Baba Yaga“ (1973) auf dem Programm, der trotz des Titels nichts mit russischen Märchen zu tun hat, sondern eine Verfilmung des gleichnamigen Guido-Crepax-Comics ist. Valentina, eine Mailänder Modefotografin, fällt unter den Bann einer Hexe; angereichert ist das Ganze mit sonderbaren Todesfällen, einer Kamera, die manchmal wie von selbst im Dunkeln fotografiert, einem bodenlosen Abgrund unter dem Teppich einer alten Villa und jeder Menge linkspolitischem Aktivismus des italienischen Politkinos der Siebziger. Das ist anspruchsvoll, surreal, wunderbar gefilmt, interessant besetzt (Luis de Funes´ Tochter in der Hauptrolle) und sehr eigenwillig.
Corrado Farina hat noch einen weiteren phantastischen Film gemacht, "Hanno Cambiato Faccia", der bei uns unter dem generischen Titel „Wettlauf gegen den Tod“ auf VHS erschienen ist. Die habe ich mir gerade erst auf DVD gebrannt und bietet sich daher für ein Farina-Double-Feature an, zumal damit die Filmografie des Regisseurs abgearbeitet ist: die beiden sind seine einzigen Spielfilme geblieben, heute schreibt er Romane und dreht Dokumentationen.
"Hanno Cambiato Faccia“ (1971), Farinas erster Film, bedient sich des klassischen Dracula-Plots, um daraus eine recht interessante, aber viel zu bemühte Satire zu machen: Der Großindustrielle Nosferatu lädt einen seiner Angestellten in sein abgelegenes Bergschloss ein, wo sich rasch herausstellt, dass er ein Blutsauger im buchstäblichen Sinne ist. Jede Menge atmosphärische Bilder und ein schöner Soundtrack machen die Kapitalismusschelte mit dem Holzhammer nicht wett. Insgesamt bleibt der Eindruck eines Films, der das Genre gekonnt, aber eigennützig bedient, ähnlich vergleichbaren sozialistischen Fabeln wie dem russischen Gothic-Märchen „Graf Stachs wilde Jagd“. Und so bleibt „Baba Yaga“ der weit überlegene der beiden Farina-Filme, der seine politischen Motive zwar ebenso offen legt, sie aber viel geschickter in den phantastischen Kontext setzt.
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Zwischendurch kam per E-Mail das Hörspielmanuskript zu DIE GEISTERSEHER. Marco Göllner und Dennis Erhardt brauchen die korrigierte Fassung bis Anfang nächster Woche, so dass mein Filmkonsum in den nächsten paar Tagen zwangsläufig ein wenig zurückgefahren wird.

09. Februar 2009

Tag eins der Pause nach dem letzten Buch. Wer´s in den vorherigen Einträgen überlesen hat: Ich habe mir fest vorgenommen, bis zur Arbeit an meinem zweiten Carlsen-Buch – circa ab dem Sommer – eine Pause einzulegen und keinen Roman zu schreiben. Das sind mehrere Monate, und wie sich das gestalten wird, weiß ich selbst noch nicht. Als ich Bernhard Hennen letzte Woche davon erzählt habe, hat er mich ausgelacht und gemeint, allein die Tatsache, dass ich hier im Journal über den gesamten Zeitraum Buch führen wolle, beweise ja schon, dass ich´s nicht lassen könne. Warten wir´s ab.

Nach dem Frühstück erst einmal eine Ausgabe von Tim Lucas´ Filmmagazin “Video Watchdog“ gelesen, besonders diverse Kritiken zu italienischen Horrorfilmen der 70er und 80er Jahre. Anschließend eine kurze Dokumentation über italienische Gialli
gesehen – ein Extra auf einer amerikanischen DVD von Luciano Ercolis „Death walks at midnight“ (wobei ich bemerkt habe, dass ich den Film gleich dreimal als DVD im Regal stehen habe ...). Das wiederum erinnerte mich daran, dass ich lange keinen Dario-Argento-Film mehr gesehen hatte. „Vier Fliegen auf grauem Samt“ ist der einzige, den ich meines Wissens nie komplett gesehen hatte (auch nicht vor zwanzig Jahren, als ich diverse Artikel über Argento geschrieben habe). Jetzt weiß ich auch warum (und ich hab´s wieder nicht geschafft ohne Schnellvorlauf): Argento, dem immer nachgesagt wird, seine frühen Filme seien viel besser als die neuen, hat auch damals schon schwächere Sachen abgeliefert, speziell „Die neunschwänzige Katze“ und, das weiß ich jetzt, „Vier Fliegen auf grauem Samt“.
Eigentlich hätte ich danach noch mal Argentos „Inferno“ oder „Suspiria“ gucken müssen, habe mich aber stattdessen für Jess Francos „Vampyros Lesbos“ von 1970 entschieden. Hatte ich ebenfalls noch nie ganz gesehen, obwohl mein Freund Peter Blumenstock 1993 ein Buch über Franco geschrieben („Obsession – The Films of Jess Franco“) und den „Vampyros Lesbos“-Soundtrack Mitte der Neunziger erfolgreich auf CD veröffentlicht hatte; im DVD-Booklet habe ich eben gelesen, dass es die CD im Zuge der Easy-Listening-Welle in England auf Platz 10 der Album-Charts geschafft hat.
Der Film selbst ist toll, aber eigenwillig. Mehr Siebziger geht nicht, mit allem Drum und Dran. Soledad Miranda – und jetzt wird´s sehr speziell – wäre für mich nach wie vor die Idealbesetzung für Coco Zamis gewesen. Tragischerweise ist sie kurz vor ihrem großen Durchbruch - ein Zwei-Jahres-Vertrag bei Produzent Artur Brauner - mit 27 Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen.
Habe deshalb beschlossen, gleich noch mehr Jess Franco hinterher zu schieben. Der hübsch betitelte „Sie tötete in Ekstase“ hat dabei nicht nur Soledad Miranda aufzuweisen, sondern auch noch Horst Tappert, der drei Jahre vor „Derrick“ schon einen Kommissar im grauen Trenchcoat spielen durfte. Insgesamt ein wenig langweiliger als „Vampyros Lesbos“, da allzu absehbar, aber die sonderbare 70erJahre-Südeuropa-Mittelmeer-Sleaze-Atmosphäre entschädigt dafür. Franco hat unglaubliche Mengen von Trash produziert, aber einige seiner Filme - und dazu gehören die beiden genannten - verraten eine eigenwillige künstlerische Handschrift.
Und für diejenigen, die nun überhaupt nicht wissen, von was ich rede, gibt es hier ein vierminütiges, nicht immer jugendfreies Special über Jess Franco, anlässlich der diesjährigen Goya-Verleihung für sein Lebenswerk. Der Goya ist der spanische Oscar, und dass Franco ihn bekommen hat, ist fantastisch und unglaublich – übertragen auf Deutschland wäre das so, als hätte man dem guten alten "Doktor Morton" posthum den Büchnerpreis verliehen.

06. Februar 2009

Vor zwei Minuten habe ich das neue Manuskript per Mail an meine Lektorin bei Carlsen geschickt. Nach meinen beiden Korrekturdurchgängen sind von den ursprünglich 568 Seiten noch 510 übrig geblieben. Kürzen tut jedem Buch gut, auch den meisten gedruckten; darum kann´s nicht schaden, das so früh wie möglich zu erledigen. Ich habe diesmal noch stärker als sonst darauf geachtet, alle Floskeln und Standardformulierungen auszumerzen; auch die Charakterführung der Protagonistin ist eine andere, vor allem reflektiert sie nicht so ausführlich wie die meisten meiner anderen Hauptfiguren. Das entschlackt den Text und dürfte ihn knapper und schnittiger machen. Ich hoffe, dass ich in den nächsten Tagen endlich mehr zu Titel und Thema sagen kann.
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Gestern war ich beim Lübbe-Verlag und bin, nach diversen Besprechungen und einem Mittagessen im Schlosshotel Lerbach, mit meinem Lektor Stefan Bauer das redigierte Manuskript des dritten STURMKÖNIGE-Bandes durchgegangen. Damit ist auch GLUTSAND weitgehend druckreif.
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Ebenfalls abgeliefert habe ich ein Vorwort zum mehr oder minder vergessenen Fantasyklassiker "Gonji" von T.C. Rypel. Was es damit auf sich hat, ist eine lange Geschichte, die ich hier noch mal aufgreife, wenn das Buch in ein paar Monaten erscheint. Ganz sicher ist das der beste Sword & Sorcery-Roman, den ich seit vielen Jahren gelesen habe.
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Ab nächste Woche soll, wie geplant und bereits angekündigt, die Chronik des Großen Nichtstuns losgehen. "Ja, sicher", denke ich mir schon, während ich das hier tippe ... Jedenfalls werde ich das Ganze im Journal dokumentieren.
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Und trotzdem - noch mehr Freizeit geht immer. Wie man hier sieht.