15. Dezember 2006

Das neue Kontaktformular ganz unten auf der Startseite hat dazu geführt, dass es plötzlich E-Mails hagelt - von denen ich leider die allerwenigsten beantworten kann. Ich bin noch nicht sicher, ob es in dieser Form bestehen bleiben wird, zumal viele Fragen schon diverse Male im Forum beantwortet wurden. Andererseits kommen dann und wann auch Mails, die mich aufhorchen lassen. So wie diese von einer besorgten Sozialpädagogin:

"Da ich großes Interesse an Fantasy-Literatur für Kinder habe, habe ich Ihr Hörbuch DAS STEINERNE LICHT ausgeliehen. Leider musste ich es vorzeitig abbrechen, da ich mich (obwohl ich kein Kind mehr bin) gegruselt und geekelt habe. Die häufige und umfangreiche Darstellung von Untoten und ihrem Aussehen und von Verletzungen finde ich für kein Kind angemessen und meine Kinder sollten soetwas auf keinen Fall lesen. Nach dieser Erfahrung frage ich mich, ob nicht sogar eine Altersbeschränkung für Bücher nützlich wäre. Da ich selbst Sozialpädagogin und in der Kinderarbeit tätig bin, war es mir wichtig, Ihnen meine Kritik mitzuteilen. Ich finde es sehr schade, dass Sie Ihr Talent dazu einsetzen, solche Dinge zu schreiben."

Nun denn. Darstellungen von Tod und Gewalt haben in Jugendbüchern während der vergangenen Jahre zweifellos eine Wandlung erfahren. Ein offensichtlicher Grund ist der laschere Umgang mit diesen Themen in sämtlichen Medien. Fakt ist, Jugendliche wachsen mit visualisierter Gewalt auf. Und ich behaupte: Sie können sie vertragen. Ich würde keine Szene in eines meiner Bücher schreiben, von der ich annähme, dass ich selbst sie mit zwölf nicht verkraftet hätte. Was vielleicht das Grundproblem dieser E-Mail auf den Punkt bringt: DAS STEINERNE LICHT ist ein Jugend-, kein Kinderbuch. Und das macht in der Tat einen großen Unterschied in allen Bereichen eines Romans - beim Schreiben, Vermarkten und Lesen. Die Empfehlung des Verlages lautet "ab 12 Jahre". Das ist ein Alter, in dem manche schon Stephen King lesen, ganz sicher Tolkien. Bücher also, die gar nicht erst in einer bestimmten Alterskategorie positioniert werden. Die Schwierigkeit scheint mir vielmehr zu sein, dass dünnhäutige Erwachsene IHR Problem mit negativen Emotionen (in diesem Fall "Grusel" und "Ekel") auf Kinder und Jugendliche projizieren. Aber beim Schreiben geht es nun einmal genau darum: um das Erzeugen von Emotionen ALLER Art. Das ist Geschichtenerzählen. Egal, für welches Alter.
Abschließend: Die Diskussion um Gewalt und Tod in Medien für Jugendliche hat natürlich einen gewaltigen Bart und wird hier ganz sicher nicht neu aufgerollt werden. Interessant daran ist lediglich, wie begrenzt "deutsch" dieses Problem ist. In den USA wurde ich vom Verlag höflich gefragt, ob ich vielleicht den vage angedeuteten Sex zwischen Jolly und Griffin aus DIE MUSCHELMAGIER streichen könnte - man könne davon ausgehen, dass hunderte öffentliche Büchereien den Roman deshalb nicht einkaufen würden. (Ich habe abgelehnt.) Auch hat meine US-Lektorin bereits mögliche Probleme aufgrund der Höllendarstellung in DAS STEINERNE LICHT eingeräumt. Ich bin sicher, viele Sozialpädagogen in Deutschland schütteln genau darüber den Kopf, lächeln herablassend über amerikanischen "Fundamentalismus" und freuen sich, dass hier bei uns alles so viel offener und liberaler ist. Ja, richtig, darüber freue ich mich auch. Aber: Das deutsche Problem mit Gewalt in Medien, die Jugendlichen auf diese oder jene Weise zugänglich sind, ist nicht weniger verbohrt. Nicht weniger altbacken. Und nicht weniger weltfremd.