29. Juni 2009

Grundsätzlich stehe ich diesem ganzen Twitter-Ding skeptisch gegenüber. Aber nach diversen Anfragen - und weil es mich gerade von dem ablenkt, was ich eigentlich tun sollte, nämlich einen Kurzfilm zu schreiben - habe ich mich jetzt bei Twitter angemeldet und schreibe dort ähnlichen abgehackten Unfug wie alle anderen. Wer´s mitverfolgen will, kann das hier tun:
www.twitter.com/KaiMeyer
Oder auch im Seitenstreifen rechts im Journal ...

22. Juni 2009

Frisch erschienen ist "Gonji" von T.C. Rypel, ein Roman, den ich im Zitat auf der Rückseite "die wichtigste Wiederentdeckung klassischer Fantasy seit "Conan"" genannt habe. Gonji ist ein Samurai, der im Spätmittelalter in den Karpaten die mythische Stadt Verdun sucht, um sich dort einem prophezeiten Schicksal zu stellen. Ich habe für das Buch ein Vorwort verfasst, das erklärt, was mich mit Rypels Roman verbindet, und hier sind einige Auszüge:

Vor einer Weile las ich ein Interview mit dem Fantasy-Autor David C. Smith, der in den Siebziger und Achtziger Jahren einige farbenfrohe Sword & Sorcery-Abenteuer veröffentlicht hat. Unter anderem ging es darum, wie flüchtig Erfolg und ein gewisser Bekanntheitsgrad sein können. Um dies zu illustrieren, erwähnte er eine Romanserie mit dem Titel „Gonji“; vor rund 25 Jahren sei sie in den USA recht populär gewesen, heute aber zu Unrecht völlig vergessen. (...)
Neugierig bestellte ich mir antiquarisch alle fünf Bände seiner Reihe. Ohne allzu große Erwartungen, ehrlich gesagt. Sword & Sorcery ist jenes Subgenre der Fantasy mit dem schlechtesten Ruf: Pralle, meist recht maskuline (und muskuläre) Abenteuergeschichten, gern nach dem ewig gleichen Strickmuster gebaut, viele davon lediglich Variationen von Robert E. Howards Storys um den Barbaren Conan. In den Siebzigern feierte diese Spielart des Genres einige Erfolge, geriet aber seither unter den jüngeren Lesern, die sich für Phantastisches begeistern, in Vergessenheit. Viele mögen noch Conan kennen (eher als Film, denn als Buch), doch einige der anderen, womöglich gar besseren Helden aus dessen literarischem Umfeld sind aus der Wahrnehmung der Fans verschwunden: Elric, Kane, Fafhard und der Graue Mausling – ihre Abenteuer liest heute leider kaum noch jemand.
„Gonji“ jedoch, das wurde mir schon auf den allerersten Seiten klar, ist anders. Sicher, auch hier beginnt alles mit einem Schwertkämpfer, gut gemachter Action, einem Ungeheuer – doch damit erschöpfen sich die Parallelen. „Gonji“ ist vor allem eines: phänomenal gut geschrieben! So gut, dass ich sofort begann, im Internet nach diesem obskuren Autor namens T.E.D. Rypel zu suchen. Gefunden habe ich nichts außer einigen Titelvermerken – offenbar hatte Rypel nach dem fünften „Gonji“-Band im Jahr 1986 nie wieder irgend etwas veröffentlicht.
Kann nicht sein, dachte ich. Niemand, der ein solches Talent besitzt, hört einfach auf. Zwei Möglichkeiten kamen in Frage: Entweder, Rypel lebte nicht mehr, oder aber er schrieb sehr wohl weiterhin Bücher, nur unter anderem Namen. Einige der Sword & Sorcery-Veteranen jener Zeit wurden später in anderen Genres zu Bestsellerautoren – der bekannteste ist John Jakes, der mit naiven Barbarengeschichten begann, um dann mit seiner vielbändigen Bürgerkriegssaga „Fackeln im Sturm“ einen Welterfolg vorzulegen. (...)
Also vertiefte ich meine Recherche. Ich bestellte mir stapelweise alte amerikanische Genre-Fanzines wie „Amra“ und den „Fantasy-Newsletter“, die bis in die Achtziger Jahre das Sprachrohr der Szene gewesen waren. Darin musste es Hinweise auf Rypel geben – und wenn es nur ein Nachruf wäre.
Doch einige wenige Erwähnungen der Titel zum Zeitpunkt des Erscheinens waren alles, auf das ich in Dutzenden von Heften stieß. Keine Rezensionen, kein Interview. Ich schrieb an David C. Smith – und bekam keine Antwort. Zunehmend ungeduldig setzte ich Suchmeldungen in die größten amerikanischen Internetforen zum Thema Fantasy. Irgendwen musste es doch geben, der wusste, was aus Rypel geworden war. Aber auch hier: Erst einmal Fehlanzeige. (...)
Derweil las ich den ersten Band, dann den zweiten. Bis ich, Monate später, unter meinen E-Mails eine Benachrichtung fand: Irgendwer hatte sich im Forum der offiziellen „Conan“-Homepage gemeldet. Ich sah nach – und fand einen Eintrag von Rypels Tochter Beth. Ihr Vater sei keineswegs ein Pseudonym, auch nicht tot, sondern, ganz im Gegenteil, quicklebendig. Ich schrieb ihr zurück, dass ich sehr erleichtert sei und mich freuen würde, wenn sie meine Mail an ihn weiterleiten könnte. Das werde sie gern tun, antwortete sie, allerdings sträube sich ihr Vater ein wenig, per E-Mail zu kommunizieren. Egal, dachte ich, ich wollte ja nur meine Komplimente loswerden und ihm zu seinen Büchern gratulieren.
Wieder verging einige Zeit mit völliger Funkstille. Zufrieden war ich trotzdem, hatte ich doch alles loswerden können, das ich hatte sagen wollen. Doch dann, nach mehreren Monaten, trudelte eine ungewöhnlich lange und überaus freundliche E-Mail bei mir ein – diesmal unterzeichnet mit „Ted“. Ganz offensichtlich konnte er kaum fassen, dass sich noch jemand für ihn und seine Bücher interessierte. Er gehe gerade in Pension, schrieb er, nach Jahrzehnten in einem Job, der ihn nur mäßig ausgefüllt habe. Ja, er habe immer geschrieben, aber tatsächlich seit dem fünften „Gonji“-Band nichts mehr veröffentlicht. Ärger mit dem damaligen Verlag, mit einer Agentur, allerlei äußere Umstände hätten dazu geführt, dass er sich selbst lange nicht mehr als echten Schriftsteller gesehen hätte.
Ich widersprach – Schriftsteller ist man immer, auch Jahre nach der letzten Veröffentlichung. Die Bücher bleiben bestehen, selbst wenn sie nur noch in den hinteren Regalen eines Antiquariats zu finden sind.
Wir begannen, ausführlichere Mails zu schreiben, schickten Bücher hin und her, und ich bat ihn, die „Gonji“-Bände meinem Verlag hier in Deutschland zeigen zu dürfen. Bastei Lübbe hatte gerade mit dem verstorbenen David Gemmell den letzten erfolgreichen Sword & Sorcery-Autor verloren, und ich konnte mir vorstellen, dass Ted Rypel und „Gonji“ diese Lücke füllen könnten. Ted freute sich über meine Begeisterung, schien aber nicht so recht glauben zu wollen, dass tatsächlich ein Verlag Interesse haben könnte. Trotzdem sandte er einige Exemplare an Lübbes Fantasy-Lektor Ruggero Leo; ich hatte ihn bereits mit einer glühende Empfehlung eingestimmt und bekräftigte sie noch mal am Telefon und auf der nächsten Buchmesse. Einige Wochen später kam das Signal: Ja, man wolle „Gonji“ auf Deutsch veröffentlichen, erst einmal die Bände eins bis drei, die eine in sich geschlossene Trilogie bilden, danach womöglich auch die beiden folgenden Einzelromane. (...)


Soweit der Auszug aus dem Vorwort. "Gonji" mag wie alle Debütromane an ein paar Kinderkrankheiten leiden (etwa zu viele Adjektive, was im Deutschen immer noch ein wenig offensichtlicher wird als im Original), doch was mich mehr noch als die interessante Hauptfigur gepackt hat, ist die vollkommen eigene Stimme, die aus den Büchern spricht. Ähnlich wie bei David Gemmell - der ein deutlich schwächerer Stilist war -, spürt man hinter jedem Absatz die Präsenz des Autors und hat das Gefühl, dass hier eine reale, individuelle Person zum Leser spricht. In der modernen Fantasy ist das selten geworden, und deshalb ist es ein Grund mehr, den "Gonji"-Romanen eine neue Chance zu geben.

15. Juni 2009

Das ist Heidi. Sie ist vor vier Wochen aus Portugal nach Deutschland gekommen, war seither in einer Pflegefamilie und wohnt seit vier Tagen bei uns. Im Moment liegt sie neben meinem Schreibtisch und schläft. Sie ist noch ziemlich ängstlich, gewöhnt sich aber allmählich an die neue Umgebung. Fremde Menschen machen sie nervös, in Portugal wurde sie an einer Kette im Stall gehalten; offenbar hatte sie dort auch Junge, die getötet wurden, kurz bevor Tierschützer sie freigekauft haben. Die gaben ihr auch ihren Namen, und wir haben ihn beibehalten, weil er derzeit so ziemlich das Einzige ist, auf das sie hört.
Im Garten liegt ihr neuer Lieblingsplatz anscheinend unter einer Funkie; im Haus gilt, je höher oben sie sich befindet, desto wohler fühlt sie sich. Das untere Foto zeigt sie auf der Galerie über dem Wohnzimmer. (Wer sich wundert, warum die schmalen Gardinen im Hintergrund scheinbar außen hängen: Das Fenster befindet sich im Haus, es ist Teil des Altbaus, an den der neue Teil des Gebäudes angebaut wurde.) Dafür mag sie im Augenblick das Erdgeschoss noch nicht besonders ...

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Die Spanienreise war kurz, einigermaßen anstrengend (vor allem, weil Spanier unglaublich spät zu Abend essen und dann kein Ende finden, ganz gleich, ob man mitten in der Nacht aufstehen musste, um ins Flugzeug zu steigen ...). Schwerpunkte waren zwei Pressekonferenzen in Madrid und Sevilla, außerdem diverse - man ahnt es - Essen mit Verlagsmitarbeitern. Sehr schön war auch der Abend mit meiner lokalen Agentin Alicia und ihrem Freund Carlos, die mir im Anschluss den historischen Stadtkern von Madrid bei Nacht gezeigt haben.
Das Hardcover der VATIKAN-VERSCHWÖRUNG liegt nach wie vor überall in den spanischen Buchhandlungen gestapelt, und noch während ich dort war, verkündete mir meine Lektorin, dass man im Herbst nächsten Jahres DIE ALCHIMISTIN veröffentlichen werde.

07. Juni 2009

Es geht für ein paar Tage nach Spanien, um die dortige Ausgabe der VATIKAN-VERSCHWÖRUNG in höchsten Tönen lobzupreisen. Erst nach Madrid zur Buchmesse und einer Journalistenrunde, dann nach Sevilla für ein Podiumsgespräch und eine Signierstunde. Interviewt werde ich dort von Eric Frattini, der diverse Bücher über Verschwörungen, den Vatikan und allerlei anderes Geheimnisumwölktes geschrieben hat. 28 Grad Celsius sagt der Wetterbericht. Was nimmt man da mit? Was nicht? 14 Kilo Handgepäck darf man in der 1. Klasse der Iberia transportieren, das reicht, hoffe ich. Muss noch meinen Koffer wiegen. Und ein Buch aussuchen. Oder doch nur den iPod für die fünfte "Lost"-Staffel? Aufstehen um 4.15 Uhr. Gute Nacht.

01. Juni 2009

Ich bin zurück von der Frühjahrs-Lesereise, habe in Berlin alte Freunde wiedergetroffen, im Zug Michael Moorcocks neueste Elric-Novelle in "Weird Tales" gelesen (nostalgisch wertvoll, qualitativ ... na ja) und auf der Bahnfahrt von Trier nach Hause einmal mehr entdeckt, wie schön die Eifel ist - tatsächlich dürfte dies eine der hübschesten Bahnstrecken sein, die mir überhaupt je untergekommen sind, weitgehend durch enge Waldtäler und an schmalen Flussläufen entlang. In Bielefeld habe ich die alte Villa des Splitter-Verlages besucht und das halbe WOLKENVOLK-Comic-Team getroffen, die beiden chinesischen Faltenhunde von Dirk Schulz und Delia Wülner geschmust und Ralf Schlüters Originalzeichnungen des Drachenfriedhofs bestaunt. Unterwegs habe ich den Großteil eines Kurzfilm-Treatments für Dominik Grafs Regieassistenten Johannes Sievert geschrieben, ein paar Folgen "True Blood" auf dem iPod angeschaut und noch einmal die ersten vier CDs des grandiosen WELLENLÄUFER-Hörspiels durchgehört. Bei den Lesungen selbst, die ungünstig gegen Biergartenwetter, ein Fußballspiel und - in Gütersloh - gegen eine gleichzeitige Lesung von Fernsehprominenz programmiert waren, gab´s das erste Kapitel von DSCHINNLAND, eine längere Passage aus WUNSCHKRIEG (Khalis erklärt die Welt in der Flasche), eine Schlüsselszene aus ARKADIEN ERWACHT und zum Abschluss, immer wieder gern, die Kurzgeschichte SCHAU HIN.
Jetzt bin ich wieder zuhause und habe bemerkt, dass ich noch fünfzehn Kurzgeschichten für einen Storywettbewerb lesen muss, in dessen Jury ich sitze. Eigentlich sollten gestern alle Bewertungen fertig sein. O je.