27. Juni 2008

Es ist ziemlich lange her, dass mich Kameras nervös gemacht haben - was gar nicht so toll ist, wie es klingt. Nervosität schafft Distanz. Und Distanz im Umgang mit Medien aller Art ist ratsam. Sieht man aber die Kamera nur noch als technisches Gerät auf der Schulter eines einzelnen Menschen, vergisst man schnell, dass das, was man gerade sagt, später womöglich von Zigtausenden gehört und gesehen wird.
Das Kamerateam, das mich gestern zu Hause besucht hat, wurde vom Lübbe Verlag bezahlt und hatte entsprechend nur Positives im Sinn. Gedreht wurde eine kleine Homestory - Interviewschnipsel an verschiedenen Plätzen hier im Haus -, und anschließend ein längeres Gespräch in der Blue Box in einem Studio in Hürth (derselben, wie ich in der Maske erfuhr, in der all die dubiosen Promi-Kommentare für die diversen Chart-Shows aufgezeichnet werden). Das Ganze wird später in kurze Clips zerlegt und in ein paar Wochen auf der STURMKÖNIGE-Website zu sehen sein.
Zurück zur Distanz: Die geht in solchen Situationen schnell verloren, selbst wenn sechs Leute um einen herumwuseln und Scheinwerfer im Wohnzimmer aufbauen. Und ich sage dann schnell Dinge, die ich mir im Nachhinein lieber gespart hätte. Nichts Dramatisches, nur Kleinigkeiten, bei denen ich mich später frage, ob sie zu viel über meinen Arbeitsprozess verraten. Oder Antworten, die ich schon zwei Minuten später lieber anders gegeben hätte. Zum Beispiel die Frage: "Wie wer wollten Sie als Kind sein?" Geantwortet habe ich "Wie Stephen King" - und zwar weil er der erste Autor war, über den ich Homestories gelesen habe, dessen Arbeitszimmer man auf Fotos sah, der ständig interessante Dinge tat wie Dreharbeiten besuchen und dabei noch mit dem Schreiben Geld verdiente. Nur - all das konnte ich nicht dazu sagen, weil die Vorgabe war, nur einen Namen zu nennen. Heute, einen Tag später, fallen mir eine Menge andere Leute ein, die wahrscheinlicher richtiger, passender und sympathischer gewesen wären. Und so geht es auch mit den übrigen Fragen ("Können Sie spontan drei Bücher empfehlen?" - Zehn Minuten später hätte ich schon drei anderen genannt.) Aber weil die Kamera eben nur noch eine Apparatur ist und man das Gespräch nur mit dem netten Interviewer führt, denkt man, was soll´s, sag halt irgendwas. Dass einen Monate später wahrscheinlich immer wieder irgendwer fragen wird, warum man denn ausgerechnet Stephen King sein wollte, und das schon als Kind, und dass ausgerechnet King, von dem ich seit vielen Jahren nichts mehr gelesen habe, möglicherweise irgendwann - daraus abgeleitet - als großes Vorbild und Lieblingsautor in anderen Porträts und Artikeln auftauchen könnte, übersieht man dabei schnell. Ebenso wie die Tatsache, dass es weit sinnvoller gewesen wäre, drei unbekannte Bücher zu empfehlen, statt solche, die eh alle kennen. Oder dass es klügere Antworten gibt auf die Frage: "Worauf sind Sie stolz?"
Auf der anderen Seite stehen dann die eher bauchschmerzigen Situationen, wenn man mit dem Kamerateam durch die Straßen läuft und man den neuen Nachbarn ansieht, dass sie gerade sehr bemüht überlegen, ob ihnen entgangen ist, dass der Neue im Haus um die Ecke jemand Bekanntes ist oder nur beim "Perfekten Dinner" mitmacht.
Was mir tatsächlich am meisten Spaß macht, sind die intensiveren Teile solcher Interviews - in diesem Fall das lange Gespräch in der Blue Box. Wenn ich aus meinen eigenen Antworten auf clever gestellte Fragen Neues über meine Bücher und die Charaktere darin erfahre, Dinge, die mir vorher nur teilweise (oder gar nicht) bewusst waren und plötzlich völlig offensichtlich werden. Das geht dann auch weit über die Fragestunden im Anschluss an Lesungen hinaus, weil mehr Zeit und die Spannung zwischen Interviewer und Interviewtem eine intensivere ist. Dass man nebenbei noch am eigenen Leibe erfährt, dass Günther Jauch bei den Aufnahmen zu "Wer wird Millionär?" (im Studio nebenan) in einer ziemlich schauderhaften Kantine essen muss, ist ein irrelevanter, aber netter Bonus für das nächste Telefongespräch mit den Schwiegereltern.